Das Chancenaufenthaltsrecht – eine erste Bilanz

cw. Der Chancenaufenthalt hat Halbzeit – und es zeigen sich erste Erfolge. In 15 von 16 Bundesländern (Ausnahme: Saarland) ist die Zahl der Menschen mit Duldung zwischen Ende 2022 und Ende 2023 deutlich zurückgegangen. Es ist der erste Rückgang – von rund 248.000 auf rund 201.000 Personen.

Bis Ende Mai gab es bundesweit laut Ausländerzentralregister rund 70.000 Erteilungen. Besonders viele Aufenthaltserlaubnisse nach § 140c AufenthG wurden laut Aussage des BMI in der Zeit von April bis Juli erteilt. Zudem haben ca. 3.000 Personen schon vor Ablauf der 18 Monate den Übergang in die Bleiberechtsregelungen nach §§ 25a und b AufenthG geschafft.

In der Gesetzesbegründung ging die Bundesregierung davon aus, dass 98.000 Anträge gestellt werden würden. Allerdings schätzte sie, dass lediglich 1/3, also ca. 33.000 davon den Übergang ins Bleiberecht schaffen würde. Die anderen 62.000 Menschen würden also wieder in die Duldung zurückfallen – wir sprechen hier von Menschen, die mindestens seit dem 31.10.2017 in Deutschland leben, also mindestens seit beinahe sieben Jahren.
Doch woran kann es liegen, dass der Übergang nicht gelingt?

Deutschkenntnisse/Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung

Probleme können entstehen, wenn Kapazitäten für den Test „Leben in Deutschland“ zum Nachweis der Grundkenntnisse fehlen oder die Testkorrekturen sehr lange Zeit in Anspruch nehmen. Probleme bei dem Nachweis der Deutsch- oder Grundkenntnisse können z. B. auch bei Analphabet*innen entstehen.

Lebensunterhaltssicherung

Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht sichern, können Schwierigkeiten beim Übergang bekommen, wenn Sie nicht in die Ausnahmeregelungen nach
§§ 25a und b AufenthG fallen. Viele Personen werden schnell in Helfertätigkeiten gehen, um die Lebensunterhaltssicherung nachweisen zu können, anstatt sich zu qualifizieren.

Identitätsklärung/Passbeschaffung

Für viele Menschen ist die Identitätsklärung/Passbeschaffung schwierig oder unmöglich. Hier ist der Nachweis über die unternommenen Schritte sehr wichtig.
Die Arbeitshilfe „Mitwirkungspflichten bei der Identitätsklärung und Passbeschaffung für Menschen mit Duldung“ (verfügbar in acht Sprachen), die wir im Rahmen von BLEIBdran (2019/2020) erstellt haben, hilft bei der Dokumentation:
https://www.asyl.net/view/mitwirkungspflichten-bei-der-identitaetsklaerungpassbeschaffung-fuer-menschen-mit-duldung-1

Die Ausländerbehörde muss konkrete Hinweise zur Identitätsklärung geben – fragen Sie nach, welche Schritte unternommen werden sollen. Kann man nachweisen, dass alle subjektiv zumutbaren und objektiv möglichen Handlungen unternommen wurden, kann die Ausländerbehörde auch bei nicht abschließend geklärter Identität eine Aufenthaltserlaubnis erteilen.