Praxis-Check: Bezahlkarte im Ilm-Kreis

Der Ilm-Kreis war in Thüringen einer der ersten Landkreise, der die Bezahlkarte für Geflüchtete einführte. Nach einer öffentlichen Ausschreibung wurde ein Vertrag mit dem Anbieter „Socialcard“ geschlossen, sodass die Karte offiziell am 01.04.2024 eingeführt wurde. Diese abrupte Initiierung führt in der Praxis zu nicht wenigen Problemen. Unsere BLEIBdran+-Berater*innen aus dem Sozialamt Ilm-Kreis haben unsere drängensten Fragen beantwortet.

Wie erfolgte die Einführung der Bezahlkarte?
Die zuständigen Sachbearbeiter*innen wurden vom zuständigen Kartenanbieter geschult und das Bezahlsystem wurde technisch eingerichtet. Schrittweise erhalten die betreffenden Personen die Karte seit April 2024. Dies erfolgt im Rahmen eines persönlichen Termins im Landratsamt Ilm-Kreis.

Zur Einrichtung der Karte muss die Person eine gültige E-Mail-Adresse sowie Mobilfunknummer angeben, mit der die Karte registriert wird. Im Anschluss erhält die Person vom Kartenanbieter eine E-Mail mit Autorisierungscode und Kartennummer sowie eine vierstellige PIN per SMS vom Sozialamt. Zudem erhält die Person bei Übergabe der Karte einen Flyer in der jeweiligen Muttersprache mit den wichtigsten Informationen dazu, was mit der Karte möglich ist und was nicht.

Wegen des hohen zusätzlichen Arbeitsaufwands war die Einführung der Karte nicht gleichzeitig für alle Leistungsbeziehenden möglich. Mit Stand 02.07.2024 haben noch nicht alle Leistungsbeziehenden die Karte und bekommen vorerst ihre Leistungen weiterhin in bar oder auf ihr Bankkonto.

Gleichzeitig zur technischen Vorbereitung wurden Leistungsbeziehende durch die Sozialbetreuenden des Sozialamtes mit mehrsprachigen Informationsschreiben über die geplante Einführung informiert.

Welche Kosten fallen für Geflüchtete an?
In einigen Geschäften kann bei einem Einkauf kostenlos Geld abgehoben werden. Für die Auszahlung an einem herkömmlichen Geldautomaten fallen satte 2 € Gebühr an – pro Abhebung. Darüber hinaus wird ab dem 21. Karteneinsatz – egal ob am Automaten oder im Geschäft – pro Karteneinsatz eine Gebühr von 0,08 € fällig.

Ebenfalls ist eine Ersatzkarte bei Verlust oder Defekt kostenpflichtig.

Welche Geschäfte können aufgesucht werden?
Die Karte kann zum Bezahlen in allen Geschäften genutzt werden, die Kartenzahlung mit VISA anbieten. Vom Landratsamt Ilm-Kreis festgelegt wurde die Begrenzung des Einsatzes der Karte auf den Ilm-Kreis, die Stadt Suhl und die Stadt Erfurt.

Wie funktioniert die App?
Die App „Secupay“ kann kostenfrei für Android und Apple heruntergeladen werden. Für den Login benötigt man die vorher übermittelten Zugangsdaten. Es besteht die Möglichkeit, die Karte mit der App zu verbinden. Damit hat man Einblick in alle Zahlungen und das aktuelle Guthaben. Alternativ kann die Internetseite www.socialcard.de/user zur persönlichen Verwaltung der Karte genutzt werden. Hier ist beim Login die Angabe des Kartentokens notwendig (3-stellige Nummer, die auf die Karte aufgedruckt ist).

Die Nutzung wird in zahlreichen Sprachen angeboten. Bei Problemen mit der Nutzung wird ein Kontaktformular sowohl in der App als auch auf der Website angezeigt.

Was sind die größten Probleme, die sich nach Einführung der Bezahlkarte zeigen?
Es bestehen generelle Probleme seit der Einführung der Bezahlkarte:

Da keine Überweisungen oder Abbuchungen möglich sind, können regelmäßige Zahlungen nicht mehr wie gewohnt getätigt werden, z. B. Gebühren für Mobilfunk oder WLAN-Verträge, Abbuchungen für das Deutschlandticket, Abbuchungen des Essensanbieters für Kinder in Kitas und Schulen, Buchungen aus laufenden Ratenzahlungsverträgen, Eigenanteile an Vereinsbeiträgen u. v. m.

Personen, die vor Erhalt der Karte bereits ein Girokonto hatten, wollen dies oft gern behalten und müssen dafür Bargeld von der Karte abheben, um es für die Begleichung der Kontoführungsgebühren bei ihrer Bank einzuzahlen.

Das Deutschlandticket kann zwar monatlich bar bezahlt werden, für die erstmalige Registrierung ist jedoch die Vorlage einer IBAN nötig, die aktuell nur virtuell besteht und den Nutzenden nicht bekannt ist. Somit sind Nutzende ohne ein Girokonto bei einer Bank vom Erwerb des Deutschlandtickets ausgeschlossen.

Die technischen Probleme mit der Bezahlkarte sind aktuell ebenfalls noch sehr zahlreich:

Die bei Anmeldung angegebenen Registrierungsdaten (E-Mail und Mobilfunknummer) können später nicht geändert werden. Dies erschwert die Nutzung bei Personen, die anfangs noch keine, später aber schon eine deutsche Mobilfunknummer verwenden.

Die Verknüpfung der Karte mit der App funktioniert im Großteil der Fälle nicht. Somit können die Nutzenden weder ihr Guthaben noch Zahlverläufe einsehen.

Der Kundensupport für die Nutzenden antwortet selten oder gar nicht. Der Kundensupport für die Sachbearbeiter*innen im Sozialamt ist ebenfalls oft nur schleppend erreichbar.

Zeitweise (z. B. in KW 25 und am 04.07.24) funktioniert die App flächendeckend nicht.

Die Pflege des Kundenkontos über die Internetseite funktioniert zeitweise nicht bei Nutzung einer anderen Sprache als Deutsch.

Insgesamt gab es bereits viele Vorfälle, bei denen betroffene Personen im Geschäft an der Kasse nicht bezahlen konnten, obwohl ihre Leistungen pünktlich überwiesen worden waren. Grund dafür ist auch der oben beschriebene Umstand, dass das Guthaben in der App nicht eingesehen werden kann.

Welche Reaktionen gab es von den Betroffenen zur Einführung der Bezahlkarte?
Die Leistungsbeziehenden haben unterschiedlich auf die Einführung der Bezahlkarte reagiert. Sorgen und Unsicherheit werden häufig dann geäußert, wenn keine Zahlung mit der Karte möglich ist, obwohl das Geld vom Sozialamt längst überwiesen wurde.

Die Personen geraten häufig in unangenehme Situationen, da Einkäufe an der Kasse abgelehnt werden. Andere Umstände, wie räumlich beschränkte Einkaufsmöglichkeiten oder das Verbot von Überweisungen oder Online-Shopping, wurden bisher jedoch gelassen hingenommen.

Wichtig ist den Nutzenden verständlicherweise in erster Linie die Liquidität sowie Transparenz der Umsätze, an denen es momentan noch oft hapert. Es ist spürbar, dass viele Personen bereits anderweitig ein Girokonto unterhalten und dies weiter, wenn auch kostenpflichtig, nutzen, da sie andernfalls ihren laufenden Zahlungsverpflichtungen kaum nachkommen könnten.

Im Moment ist unser Sachgebiet zu all den genannten Problemen mit dem Anbieter im Austausch.