Große Unsicherheit bei unseren Ratsuchenden durch den JOB-TURBO

Der sogenannte JOB-TURBO ist in aller Munde. In einem drei-Phasen-Modell will das BMAS die Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Menschen im SGB-II-Bezug beschleunigen.

In den Medien wird bereits hitzig darüber diskutiert, welche Auswirkungen der JOB-TURBO haben wird. Der JOB-TURBO kommt, und es braucht Aufklärung darüber, was möglich ist, und was nicht.

Unter unseren Ratsuchenden herrscht derzeit eine große Unsicherheit bezüglich der neuen Strategie im Jobcenter. Besonders die Sprachförderung bis maximal B1 und der anschließende rasche Übergang in den Arbeitsmarkt werfen gerade bei gut ausgebildeten Fachkräften Fragen auf. Wir haben die Ängste unserer Ratsuchenden gesammelt.

Mit geringen Sprachkenntnissen auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen?

Aus der Beratungspraxis ist seit Langem bekannt, dass viele Arbeitgeber*innen ein Sprachniveau von B2 verlangen. Oft auch, wenn es um Hilfstätigkeiten geht, die Kund*innenkontakt oder Schreibarbeiten beinhalten.

Viele ukrainische Frauen sind gut in kaufmännisch-verwaltenden Berufen ausgebildet, die ein Mindestsprachniveau von B2/C1 voraussetzen. Im begründeten Einzelfall, z. B. einer Fachkraft-Ausbildung, ist es im JOB-TURBO weiterhin möglich, Förderungen von Sprachkursen auf B2- und C1-Niveau zu erhalten. Der Fokus wird jedoch eher auf Fachsprachkursen liegen, die in Absprache mit Arbeitgeber*innen berufsbegleitend stattfinden sollen.
Es soll zudem möglich sein, von Arbeitgeber*innen z. B. Freistellungen für Teil- und Vollzeitberufssprachkurse zu erhalten und nebenbei einer stundenweisen Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Paketdienst an einer Haustür

Fachkräfte im Helfer*innenbereich?

Ähnlich verhält es sich mit Qualifizierungsmaßnahmen. Fachkräfte, die ohne eine Anpassungsqualifizierung nicht in ihrem Beruf arbeiten können, haben weiterhin die Möglichkeit, sich passend weiterzubilden. Das soll im Erwerbsleben z. B. durch Teil-Qualifizierungen oder berufsbegleitende Weiterbildungen ermöglicht werden. Dabei sollen besonders die Arbeitgeber*innen in die Pflicht genommen werden, finanzielle und zeitliche Ressourcen für die berufliche Entwicklung ihrer Fachkräfte bereitzustellen.

Gerade für kleine und mittlere Unternehmen kann das eine große Herausforderung sein. Der Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit steht ihnen als Ansprechpartner zur Verfügung und informiert über Unterstützungsmöglichkeiten.

Es gilt weiterhin der Grundsatz, dass die Erwerbstätigkeit bildungsadäquat sein soll. Das Jobcenter will den Kontakt zu seinen Kund*innen intensivieren, eine konkrete Berufswegplanung erarbeiten und die Arbeitsaufnahme im zuvor festgelegten Zielberuf sichern.

Somit kann der Vermittlung in Tätigkeiten im Helfer*innenbereich, die nicht adäquat zur mitgebrachten Fachkraftausbildung sind, widersprochen werden. Dies gilt im Besonderen, wenn es sich um sogenannte reglementierte Berufe handelt, bei denen der Fokus auf der Erreichung der Berufserlaubnis liegt und als Ziel die Arbeitsmarktintegration festgelegt ist.

Dieser Grundsatz beinhaltet auch, dass Anerkennungsverfahren und Zeugnisbewertungen weiterhin förderfähig sind und die Bewilligung durch das Jobcenter beschleunigt werden soll.

Weiterhin wird eine intensivere Vernetzung zwischen den Akteuren der Arbeitsverwaltung, Projekten zur Arbeitsmarktintegration, Migrationsberatungsstellen, psychosozialen Beratungsangeboten und Sprachkursträgern angestrebt, um weiterhin die individuellen Vermittlungshemmnisse ganzheitlich zu reduzieren.

Alle sechs Wochen Vorsprache beim Jobcenter?

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Jobcenter den Kontakt zu Kund*innen intensivieren. Besonders seit dem Corona-Lockdown sind einige Jobcenter nach wie vor nicht wieder in ihren Normalbetrieb zurückgekehrt. Durch die Beratungspraxis wissen wir, dass Ratsuchende ihre Vermittler*innen im Jobcenter teilweise nur durch amtlichen Schriftverkehr kennen, persönliche Gespräche dagegen kaum stattfinden.

Auch die intensivere Zusammenarbeit mit Arbeitsmarktprojekten und -akteuren sowie der ganzheitliche Ansatz einer bildungsadäquaten Berufswegplanung auch über die Grenzen des Jobcenters hinaus sind zu begrüßen.

Zu begrüßen ist auch die Idee einer Kooperationsvereinbarung für Ratsuchende, in die Arbeitsmarktprojekte, Arbeitgeber*innen, Weiterbildungsinstitutionen und Beratungsstellen gleichermaßen involviert sind, und bei der die Kooperation auch tatsächlich dem Ziel der bildungsadäquaten Arbeitsmarktintegration dient und nicht nur auf dem Papier existiert.

Auch mit dem JOB-TURBO stehen weiterhin die begründeten Einzelfallentscheidungen im Vordergrund. Nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, wenn das Jobcenter faktisch nicht mehr zuständig ist, greift die sogenannte Beratung im Erwerbsleben der Agentur für Arbeit, in der individuell berufsbegleitende Weiterbildungen ermöglicht werden sollen. Dazu gehört auch die berufsbegleitende Sprachförderung.

Zu früh für ein Fazit

In der Praxis ist abzuwarten, wie z. B. Angebote der berufsbegleitenden Sprachförderung im Erwerbsleben tatsächlich umsetzbar sind und wie offen sich Arbeitgeber*innen in der Praxis bei Kostenübernahmen und Arbeitszeitfreistellungen zeigen.

Es steht vor allem die Problematik im Raum, dass finanzielle Ressourcen vorgehalten werden müssen, die besonders KMUs zur Verfügung stehen müssen. Hier braucht es den Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit, um die Unterstützung zu leisten.

Die Ängste der Ratsuchenden, trotz Fachkraftausbildung im Helfer*innenbereich anfangen zu müssen, relativiert die Bundesagentur für Arbeit. Ein Einstieg im Helfer*innenbereich sei eher als mögliche Überbrückung bis zum Einstieg als Fachkraft zu verstehen. Sie sei nicht verpflichtend und so könne im Einzelfall auch argumentiert werden.

Es bleibt spannend, wie der JOB-TURBO tatsächlich in der Praxis umgesetzt wird. Arbeitgeber*innen müssen informiert und sensibilisiert werden. Strukturen wie berufsbegleitende Sprach- und Weiterbildungsangebote müssen geschaffen werden. Bisher gibt es diese Angebote in Thüringen noch nicht.