Arbeitspflicht für Geflüchtete: rechtlich fragwürdige Symbolpolitik mit geringer Wirkung

Gastbeitrag von Thorben Knobloch | Paritätischer Gesamtverband

In der öffentlichen Debatte wird immer wieder gefordert, Geflüchtete zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. Was viele nicht wissen: Diese Möglichkeit besteht für Asylsuchende im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) schon heute und wurde zuletzt sogar noch einmal ausgeweitet.

Allerdings ist diese Arbeitspflicht aus rechtlicher wie arbeitsmarktpolitischer Sicht fragwürdig. Stattdessen sollten bestehende Hürden abgebaut werden, die es Asylsuchenden erschweren, eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt aufzunehmen, und effektivere Arbeitsmarktinstrumente genutzt werden. Sofern sogenannte „Arbeitsgelegenheiten“ eingesetzt werden, sollten diese in ein umfassendes Konzept eingebunden sein und auf freiwilliger Basis angeboten werden.

Was regelt das AsylbLG?

Das AsylbLG regelt vor allem die Sozialleistungen für Menschen im Asylverfahren und ausreisepflichtige Personen. Sie erhalten deutlich niedrigere Leistungen als anerkannte Geflüchtete – mit der Begründung, ihr Aufenthalt sei nur vorübergehend und eine Integration in Arbeit und Gesellschaft zunächst nicht vorgesehen. Diese unterhalb des Existenzminimums liegenden Leistungssätze werden von verschiedener Seite bereits seit ihrer Einführung scharf kritisiert.

Seit 1993 erlaubt § 5 AsylbLG, Geflüchtete in sogenannten Arbeitsgelegenheiten einzusetzen. Diese können innerhalb von Unterkünften (etwa bei Reinigungsdiensten oder einfachen Hausmeisterarbeiten) oder außerhalb von Unterkünften bei staatlichen, kommunalen oder gemeinnützigen Trägern stattfinden. Gezahlt wird bloß eine Aufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde, ein reguläres Arbeitsverhältnis wird dadurch nicht begründet. Wer sich ohne guten Grund weigert, die Arbeitsgelegenheit anzunehmen, riskiert drastische Leistungskürzungen auf unter 40 % des Existenzminimums, die theoretisch unbefristet verlängert werden können.

Ursprünglich durfte eine Arbeitsgelegenheit nur dann vergeben werden, wenn die Tätigkeit sonst nicht oder nicht zu diesem Zeitpunkt anderweitig erledigt würde. Dieses „Zusätzlichkeitskriterium“ sollte verhindern, dass reguläre Jobs verdrängt werden. Mit dem sogenannten „Rückführungsverbesserungsgesetz“ ist diese Regelung weggefallen. Somit ist nun ein breiterer Einsatz der Arbeitsgelegenheiten möglich – was das Risiko erhöht, dass dadurch reguläre Stellen ersetzt werden.

Was zeigt die Praxis?

Bisher werden Arbeitsgelegenheiten nur äußerst selten genutzt. Ihr Einsatz scheitert oft an begrenzten Verwaltungsressourcen, fehlenden Trägern oder dem Aufwand, solche Maßnahmen gut umzusetzen. Darüber hinaus zeigen mehrere Studien, dass Arbeitsgelegenheiten für Geflüchtete in ihrer bisherigen Form kaum positive arbeitsmarktpolitische Effekte haben. So stellte eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fest, dass Arbeitsgelegenheiten bei anerkannten Geflüchteten weder den Übergang in reguläre Beschäftigung noch das Einkommen der Teilnehmenden verbessern. Im Gegenteil: Teilweise verschlechterten sich sogar die Deutschkenntnisse, weil die Zeit für Sprachkurse und der Kontakt zu Muttersprachler*innen fehlten.
Arbeitsgelegenheiten: Nicht per se
falsch, aber die Pflicht ist das Problem
Wichtig ist: Arbeitsgelegenheiten sind nicht grundsätzlich schlecht. Im Gegenteil, manche Geflüchtete nehmen solche Tätigkeiten gerne wahr – als den Alltag strukturierende Beschäftigung, um Kontakte zu knüpfen, sich einzubringen oder etwas hinzuzuverdienen. Doch wichtig ist, dass die Teilnahme freiwillig bleibt und fair vergütet wird, und dass der Arbeitseinsatz gut konzipiert ist.

Problematisch wird es vor allem, wenn die Ablehnung von Arbeitsgelegenheiten sanktioniert wird. Es gibt keine europarechtliche Grundlage dafür, Menschen im Asylverfahren in einem solchen Fall Sozialleistungen zu kürzen. Auch verfassungsrechtlich gibt es Probleme. Es ist zwar rechtlich umstritten, ob tatsächlich ein unmittelbarer Zwang vorliegt und somit gegen das Verbot der Zwangsarbeit verstoßen wird. Doch angesichts der Härte der Sanktionen kann ein mittelbarer Zwang entstehen, die Arbeitsgelegenheiten anzunehmen. Hinzu kommt, dass Sanktionen stets zumutbar sein und einen legitimen Zweck erfüllen müssen. Ein solcher Zweck könnte in der Arbeitsmarktintegration bestehen. Im Falle bestehender Arbeitsverbote wäre jedoch fraglich, wie die Sanktionen diesen Zweck befördern sollen. Zudem besteht der Zweck von Tätigkeiten in der Unterkunft regelmäßig nicht in der Arbeitsmarktintegration. Hinzu kommt, dass es oftmals effektivere Instrumente zur Arbeitsmarktintegration geben könnte.

Wozu das Ganze?

Schaut man auf die politische Debatte, wird schnell deutlich: Es geht hier oft nicht um Arbeitsmarktintegration, sondern vor allem um Signalwirkung. Demonstriert werden soll, dass Geflüchtete „etwas tun müssen“, um Sozialleistungen zu erhalten – „welfare“ wird somit zur „workfare“. Besonders problematisch dabei: Das Vorurteil wird bedient, Geflüchtete seien faul. Doch das Gegenteil ist meist der Fall: Asylsuchende wollen arbeiten, werden jedoch durch Arbeitsverbote, Wohnsitzauflagen oder fehlende Sprach- und Integrationskurse daran gehindert. Gleichzeitig soll signalisiert werden, dass der deutsche Sozialstaat unbequem ist, um Menschen von der Flucht nach Deutschland abzuschrecken. Damit wird die Theorie sogenannter „Pull-Faktoren“ bedient, für die es migrationswissenschaftlich keinerlei gesicherte Evidenz gibt. An der Debatte um eine Arbeitspflicht für Bürgergeldbezieher*innen zeigt sich zudem exemplarisch, wie asylpolitische Themen genutzt werden, um grundlegende Prinzipien des deutschen Sozialstaats infrage zu stellen und Arbeit stärker zur Bedingung für den Bezug von Sozialleistungen zu machen.

Was braucht es stattdessen?

Für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration sind zunächst andere Maßnahmen und Instrumente vielversprechender als sanktionsbewährte Arbeitsgelegenheiten. Zuvorderst bräuchte es eine Eingliederung in das SGB II sowie Zugang zu den arbeitsmarktpolitischen Leistungen des SGB III. Darüber hinaus müssen jegliche Arbeitsverbote für Asylsuchende abgeschafft werden. Förderlich wären zudem eine beschleunigte Erteilung von Arbeitserlaubnissen, eine Verbesserung bei der Anerkennung von Qualifikationen sowie eine bessere soziale Infrastruktur in Form von Kinderbetreuung sowie Sprach- und Integrationskursen.

Gute Arbeitsgelegenheiten können dabei ein ergänzendes Angebot sein – freiwillig, fair vergütet und eingebettet in ein gutes Konzept, das beispielsweise den Erwerb von Sprachkenntnissen sichert und die Tätigkeit nach Qualifikation und Erfahrung der Betroffenen auswählt. Hierfür müssen auch den Trägern entsprechende Mittel bereitgestellt werden. Entscheidend dabei ist, dass Arbeitsgelegenheiten Menschen eine echte Perspektive bieten und nicht zum Mittel politischer Abschreckung werden.

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