Aufenthaltsrechtliche Perspektiven für Geflüchtete aus Syrien

Viele Syrer*innen sind nach dem Sturz Assads und durch die populistischen Äußerungen einiger deutscher Politiker*innen verunsichert und fürchten um ihren Aufenthaltsstatus. Es wird teilweise suggeriert, es würden jetzt neue Regelungen eingeführt, um Syrer*innen abschieben zu können. Dazu lässt sich sagen, dass es erstens bereits Normen im Asylgesetz (AsylG) gibt, die regeln, wann z. B. ein Schutzstatus widerrufen wird. Zweitens, dass Abschiebungen derzeit nicht so leicht und schnell erfolgen können und es im Zweifelsfall Möglichkeiten gibt, in andere Aufenthaltserlaubnisse zu wechseln. Diese Bleibeperspektiven für arbeitende und gut integrierte Syrier*innen sind keine Neuerfindung oder ein Gnadenrecht von Innenministerin Faeser, sondern im bestehenden Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geregelt.

Eine Übersicht über verschiedene Konstellationen hat Pro Asyl auf seiner Webseite veröffentlicht:
https://www.proasyl.de/hintergrund/hinweise-fuer-syrische-gefluechetete-und-ihre-beraterinnen/

Die Übersichten stehen auch auf Arabisch  und Kurmancî zur Verfügung.

In kürzerer Form hat auch der Flüchtlingsrat Thüringen e. V. die Übersicht zusammengefasst: https://www.fluechtlingsrat-thr.de/aktuelles/news/pro-asyl-hinweise-f%C3%BCr-syrische-gefl%C3%BCchetete-und-ihre-beraterinnen

1. Syrer*innen im Asylverfahren – Aussetzung der Asylentscheidungen

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat zurzeit die Entscheidungen über Asylanträge syrischer Geflüchteter ausgesetzt. Dies liegt an der noch unklaren Situation in Syrien. Im Regelfall hat das Bundesamt sechs Monate ab Stellung des Asylantrages Zeit, um über den Asylantrag zu entscheiden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann diese Frist verlängert werden (§ 24 Abs. 4 AsylG). Bei einer ungewissen Lage in einem Herkunftsland gilt aber:
„Besteht aller Voraussicht nach im Herkunftsstaat eine vorübergehend ungewisse Lage, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, kann die Entscheidung abweichend von den in Absatz 4 genannten Fristen aufgeschoben werden.“ (§ 24 Abs. 5 AsylG)

Das Bundesamt muss mindestens alle sechs Monate die Lage im Herkunftsstaat wieder überprüfen. Es muss außerdem die Asylantragsteller*innen darüber informieren, weshalb derzeit die Entscheidung über den Asylantrag aufgeschoben ist.

Syrer*innen, die einen Asylantrag gestellt haben, aber noch keine Entscheidung erhalten haben, bleiben daher weiter im Asylverfahren und behalten bis zur Entscheidung die Aufenthaltsgestattung. Spätestens nach 21 Monaten hat das Bundesamt über den Asylantrag zu entscheiden (vgl. § 24 Abs. 7 AsylG).

2. Syrer*innen mit Asylanerkennung, Flüchtlingseigenschaft, subsidiärem Schutz oder Abschiebungsverbot – Widerrufsverfahren

Die Anerkennung als Asylberechtigte*r oder die Flüchtlingseigenschaft können unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen werden (vgl. § 73 Abs. 1 AsylG). Unter anderem dann, wenn die Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigte*r oder zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, wegefallen sind (§ 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 AsylG). Dafür müsste sich allerdings die Lage in Syrien erheblich und dauerhaft geändert haben. Falls es zu einem Widerrufsverfahren kommt, findet eine Anhörung statt. Wenn nach der Anhörung der Schutzstatus widerrufen wird, muss das BAMF einen Bescheid erstellen, gegen den man klagen kann.

Ähnliches gilt für Syrer*innen, denen subsidiärer Schutz zuerkannt wurde: Der Schutzstatus wird widerrufen, „wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen, oder sich in einem Maß verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist.“ Um den subsidiären Schutz zu widerrufen, müsste sich die Situation in Syrien wesentlich verändert haben und diese Änderung dauerhaft sein. Wie oben gilt ebenfalls: Falls ein Widerruf stattfindet, gibt es eine Anhörung. Falls der subsidiäre Schutz danach widerrufen wird, lässt sich dagegen klagen.
Das Abschiebungsverbot wird widerrufen, „wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.“ (§ 73 Abs. 6 S. 1 AsylG). Auch hier findet eine Anhörung statt und es gibt die Möglichkeit zur Klage.

3. Syrer*innen mit einer Aufenthaltserlaubnis durch ein Landesaufnaheprogramm

Syrer*innen mit einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 23 Abs. 1 AufenthG, z. B. durch das Landesaufnahmeprogramm Thüringen, behalten ihre bestehende Aufenthaltserlaubnis. Unklar ist bisher, was bei einer anstehenden Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis passiert. Bei einer auslaufenden Aufenthaltserlaubnis gem. § 23 Abs. 1 AufenthG sollte rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung gestellt werden. Damit gilt der Aufenthalt gem. § 81 Abs. 4 AufenthG bis zur Entscheidung über die Verlängerung als fortbestehend. Parallel dazu sollte Beratung zu den folgenden Fragen eingeholt werden: (1.) Welche Gründe sind vorhanden, dass die Gründe im Sinne der Aufnahmeanordnung durch das Landesaufnahmeprogramm weiterhin gelten? (2.) Welche Möglichkeiten sind mittlerweile vorhanden, in eine andere Aufenthaltserlaubnis zu wechseln?

4. Syrer*innen mit einer Niederlassungserlaubnis oder mit deutscher Staatsangehörigkeit

Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Eine Gefahr, die Niederlassungserlaubnis wegen der aktuellen Situation in Syrien zu verlieren, besteht nicht. Auch für Menschen aus Syrien mit deutscher Staatsangehörigkeit besteht selbstverständlich keine Gefahr, diese wegen der aktuellen Situation in Syrien zu verlieren.

5. Syrer*innen mit einer Duldung

Eine Duldung zeigt an, dass der*die Inhaber*in ausreisepflichtig ist. Ob eine Abschiebung damit überhaupt möglich ist, hängt von verschiedenen Umständen ab: Nimmt Syrien ausreisepflichtige Menschen überhaupt wieder zurück? Falls ja, welche (Pass-)Ersatzpapiere sind für die Abschiebung erforderlich? Außerdem gibt es die Möglichkeit, aus der Duldung in verschiedene Aufenthaltserlaubnisse zu wechseln. Möglich wären zum Beispiel eine Aufenthaltserlaubnis für gut integrierte Jugendliche (§ 25a AufenthG), die Aufenthaltserlaubnis für nachhaltige Integration (§ 25b AufenthG), oder eine Aufenthaltserlaubnis für eine Berufsausbildung (§ 16g AufnethG).