Der „graue Reiseausweis“

Reiseausweis für Ausländer*innen gem. § 5 AufenthV, alias „grauer“ Reiseausweis

Rechtsgrundlage § 5 AufenthV:
(1) Einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, kann nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden.

Bei dem Reiseausweis für Ausländer handelt es sich um ein Passersatzpapier (geregelt in § 4 AufenthV)

Gem. § 5 AufenthV sind die Voraussetzungen für die Erteilung des Reiseausweiseses für Ausländer*innen, dass ein Pass oder Passersatz nachweislich nicht im Besitz ist und dieser auch nicht auf zumutbare Weise erlangt werden kann. Auf Gründe, wofür ein*e Antragsteller*in den Reiseausweis verwenden möchte, kommt es in dieser Norm hingegen nicht an.

Wenn von Ausländerbehörden verlangt wird, dass Gründe wie „ich muss meine schwer kranke Mutter besuchen“ oder „ich muss zur Beerdigung meines Vaters“ vorzutragen sind, um den Reiseausweis erteilt zu bekommen, so handelt es sich hingegen um Gründe, die für die Ausstellung eines Notreiseausweises gem. § 13 AufenthV zur Vermeidung einer unbilligen Härte verlangt werden dürfen.

Um im konkreten Einzelfall den Reiseausweis möglichst erteilt zu bekommen, sollten dennoch alle Gründe vorgetragen werden, die zu einer Erteilung beitragen können, denn es handelt sich bei § 5 AufenthV um eine Ermessensnorm.

Die Erfahrung zeigt: Im Rahmen dieses Ermessens spielt es für die Erteilung oder Nichterteilung eine Rolle, ob Verwendungsgründe für den Reiseausweis genannt werden oder nicht.

Ein Rundschreiben des TMMJV würde an dieser Stelle helfen, um die Ausländerbehörden anzuweisen, dass tatsächlich nur die Voraussetzungen des Reiseausweises gem. § 5 AufenthV und nicht die Voraussetzungen des Notreiseausweises gem. § 13 AufenthV anzulegen sind.

Dass der Gesetzesgeber mit dem „grauen“ Reiseausweis etwas anderes als mit dem Notreiseausweis beabsichtigt, zeigt ein Blick auf § 8 Abs. 1 AufenthV: Hiernach darf die Gültigkeitsdauer des „grauen“ Reiseausweises die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels oder der Aufenthaltsgestattung nicht überschreiten. Darüber hinaus gilt eine maximale Ausstellungsdauer von zehn Jahren bzw. sechs Jahren je nach Alter des*der Inhaber*in. Es handelt sich also um ein langfristiges Passersatzpapier.

Das Passersatzpapier Notreiseausweis hat dagegen mit maximal einem Monat (§ 6 AufenthV) eine weit geringere Laufzeit, die eher einen einzelnen Besuch ermöglicht, z. B. von erkrankten Familienmitgliedern.

Zur Situation bzgl. dem Herkunftsland Afghanistan
Die Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Berlin hat mit der Verbalnote vom 26. Juli 2022 erklärt, dass die Botschaft und die Generalkonsulate der Islamischen Republik Afghanistan in Deutschland derzeit grundsätzlich keine neuen Passanträge annehmen können.

Nach Einschätzung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI), welches die Verbalnote am 02.09.2022 an die Bundesländer sendete, „ist die Beschaffung neuer Reisepässe aufgrund der Informationen der afghanischen Botschaft derzeit auf absehbare Zeit nicht möglich und daher nicht zumutbar. Dementsprechend erachtet das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz (TMMJV) die Einholung einer Bescheinigung über die Antragstellung bei der Botschaft als entbehrlich“, wie das TMMJV in der Weisung vom 25.10.2022 mitteilte. „Sofern die Voraussetzungen vorliegen, kann demnach auch ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden“, so das TMMJV weiter.

Rechtsprechung
Hilfreich ist in diesem Zusammenhang ein Blick in den Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Hannover vom 05.01.2023 – 12 B 230/23 zum Reiseausweis für Ausländer. Der amtliche Leitsatz lautet:
Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im September 2021 besteht in der Bundesrepublik Deutschland kein funktionierendes afghanisches Konsularwesen mehr, bei welchem sich Staatsangehörige um die Neuausstellung afghanischer Nationalpässe bemühen könnten.
Solange eine Wiederaufnahme des afghanischen Konsularwesens nicht einmal im Raum steht, ist die Passbeschaffung regelmäßig unzumutbar (§ 5 Abs. 1 AufenthV).
Es ist ermessensfehlerhaft, einen Reiseausweis für Ausländer mit Hinblick auf die geschützte Passhoheit des Herkunftsstaates nur bei zwingender Notwendigkeit auszustellen, wenn diese Passhoheit faktisch von niemandem ausgeübt wird.

In dem Verfahren, dass beim VG Hannover geführt wurde, handelt es sich um einen Eilantrag der zwar keinen Erfolg hatte, aber das VG weist darauf hin, dass im Hauptsacheverfahren die Sache zugunsten des Klägers entschieden würde. Laut dem VG liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer vor und die Ablehnung im Ermessen durch die Ausländerbehörde ist fehlerhaft erfolgt.