Was hat es mit dem JOB-TURBO auf sich?

Interview mit Markus Behrens, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion der Bundesanstalt für Arbeit Sachsen-Anhalt-Thüringen

Foto von Marcus Behrens

BLEIBdran+: Der JOB-TURBO hat große Auswirkungen auf die berufliche Beratung der Geflüchteten in den WIR-Netzwerken. Können Sie für unsere Leser*innen kurz skizzieren, was der JOB-TURBO ist?

Markus Behrens: Der JOB-TURBO ist eine Initiative der Bundesregierung. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Bundesagentur für Arbeit haben in einem Aktionsplan Eckpunkte zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten („JOB-TURBO“) beschrieben. Hintergrund ist der anhaltende Bedarf Deutschlands an Fach- und Arbeitskräften. Im Wesentlichen richtet sich das Programm an die Personengruppe der Geflüchteten aus den acht Herkunftsländern und der Ukraine.
Über 7.000 Personen dieser Kundengruppe aus Thüringen haben seit 2022 einen Integrationskurs absolviert. In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt der Integrationsarbeit auf den Themen „Ankommen“, „Orientierung“, „Sicherstellung des Lebensunterhalts“ und „Spracherwerb“.

Inzwischen hat eine hohe Anzahl von Geflüchteten den Integrationskurs erfolgreich mit Grundkenntnissen der deutschen Sprache abgeschlossen. Nun gilt es, die Möglichkeiten zu nutzen und auf den Ergebnissen aufbauend die Integration in den Arbeitsmarkt zu beschleunigen. Es soll zeitnah Arbeitserfahrung gesammelt und nachhaltig Hilfebedürftigkeit reduziert oder beendet werden. Dafür stehen integrationswirksame und arbeitsmarktpolitische Instrumente zur Verfügung. Ein weitergehender Spracherwerb und Qualifizierungen können weiterhin Bestandteil der Integrationsarbeit sein, und können durchaus auch berufsbegleitend erfolgen.

Die Mitarbeitenden in den Jobcentern und Agenturen für Arbeit entscheiden individuell und in einem engen Austausch mit ihren Kundinnen und Kunden über die weitere Unterstützung.

BLEIBdran+: Ist es trotz JOB-TURBO auch weiterhin möglich, über den Bildungsgutschein einen Hauptschulabschluss nachzuholen oder eine Weiterbildung zu absolvieren?

Markus Behrens: In individuellen Beratungsgesprächen, die zum Ende des Integrationskurses stattfinden, werden die weiteren Schritte besprochen, die für eine nachhaltige Beschäftigung erforderlich sind. Dabei werden natürlich die Chancen am Arbeitsmarkt mit der vorhandenen Qualifikation, aber auch Möglichkeiten der berufsbegleitenden Unterstützung besprochen und vereinbart.

Die Palette der Unterstützungsmöglichkeiten ist dabei vielfältig und orientiert sich daran, ob eine Ausbildung oder eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt infrage kommen.

Weitere Informationen finden Sie unter diesem Link:
https://www.arbeitsagentur.de/k/job-turbo

BLEIBdran+: Im Grundsatz des Bürgergeldes heißt es: „Qualifizierung vor Vermittlung“. Durch den JOB-TURBO ist nun die Vermittlung vorrangig. In der Praxis stellen wir fest, dass hochqualifizierte Fachkräfte seit Einführung des JOB-TURBO vonseiten des Jobcenters häufig Vermittlungsvorschläge für Helfer*innenbereiche erhalten. Wird hierdurch prekäre Beschäftigung der Fachkräftesicherung vorgezogen?

Markus Behrens: Mit dem Programm des JOB-TURBO wird versucht, die Chancen der hohen Arbeitskräftenachfrage auch für den Personenkreis der Geflüchteten zu nutzen. Ziel ist es natürlich, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit ausländischen Wurzeln eine ihrer Qualifikation entsprechende Beschäftigung aufnehmen. Dabei werden auch gemeinsame Lösungen mit den Beschäftigten und den Unternehmen ausgelotet, die Sprachdefizite oder fehlende Qualifizierungen berufsbegleitend auszugleichen.

Die Anerkennung des ursprünglichen Berufsabschlusses oder benötigte Qualifizierungen können in vielen Fällen berufsbegleitend erlangt werden. Somit kann eine zeitweise Beschäftigung im Helferbereich zielführend sein, um einen schnelleren Spracherwerb durch den Austausch im beruflichen Umfeld zu ermöglichen und auch die soziokulturelle Integration positiv zu beeinflussen.

Die Erkenntnisse der letzten Monate zeigen jedoch auch, dass es Erwerbsbiographien gibt, bei denen eine ausbildungsadäquate Beschäftigung in Deutschland aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich sein wird. Hier müssen gemeinsam Beschäftigungsoptionen gefunden werden, die zur Sicherung des Lebensunterhalts führen.

BLEIBdran+: Aus der Praxis wissen wir, dass Arbeitgeber*innen insbesondere mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache sowie teilweise fehlende Qualifizierung von Geflüchteten als Hürden bei deren Einstellung betrachten. Oft geht es dabei auch um das Verständnis von Arbeitsschutz und -anweisungen. Der JOB-TURBO sieht vor, dass der Erwerb von Sprachkenntnissen nur bis A2/B1 unterstützt wird. Sind Unterstützungsangebote für Arbeitgeber*innen im Rahmen des JOB-TURBO vorgesehen?

Markus Behrens: Unternehmen werden durch die Ansprechpartner*innen im regionalen Arbeitgeberservice intensiv auch bei der Umsetzung des „JOB-TURBO“ unterstützt.

Neben Beratungen zu den verschiedenen Aspekten einer Beschäftigung von Geflüchteten stehen konkrete Fördermöglichkeiten für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zur Verfügung. Aber auch die Unterstützungsangebote weiterer Arbeitsmarktakteure (z. B. Sprachförderung des BAMF) werden in den Beratungsgesprächen mit den Unternehmen aufgegriffen.

Die Angebote des BAMF werden zukünftig um beschäftigungsbegleitende Sprachförderungsmöglichkeiten erweitert, die es den Teilnehmenden ermöglichen werden, Arbeit und gleichzeitige sprachliche Bildung zu vereinbaren.

Ich sehe in diesem Aktionsplan die Chance, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber durch Beratung und geänderte Rahmenbedingungen für Menschen aufgeschlossener für die Beschäftigung von Menschen zu machen, denen ein Einstieg auf dem Arbeitsmarkt bisher nur schwer möglich war. Für die geflüchteten Menschen ist es die Möglichkeit, sich durch Arbeit ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und soziokulturelle Integration ganzheitlich zu erfahren.

BLEIBdran+: Wir danken Ihnen ganz herzlich für das Interview!