Rückblick auf die BLEIBdran+ Klausur

Am 29.01.2025 ist BLEIBdran+ in Klausur gegangen. Dabei haben wir uns mit der Zusammenarbeit und den Kompetenzen im Netzwerk auseinandergesetzt. Zudem haben wir die Situation von Geflüchteten in Thüringen analysiert und Hürden und Herausforderungen bei der Integration in den Arbeitsmarkt anhand von drei Themenfeldern identifiziert. Diese stellen wir Ihnen im Weiteren kurz vor:

Die BLEIBdranplus Mitarbeitenden sitzen in einem Seminarraum und füllen Pinnwände mit ihren Ideen und Themen

Arbeit und Ausbildung

Bürokratische und rechtliche Hürden wie z. B. Arbeitsverbote oder befristete Aufenthaltsdokumente erschweren die Arbeitsmarktintegration. Auch lange Bearbeitungszeiten seitens der Ausländerbehörden bei der Ausstellung von Arbeitsgenehmigungen behindern die Arbeitsaufnahme. Geflüchtete haben zum Teil keine Möglichkeit, eine Arbeit aufzunehmen oder ein nachhaltiges Arbeitsverhältnis anzutreten, wenn Arbeitsverträge auf wenige Monate befristet sind, weil manche Arbeitgeber*innen die Anstellung auf die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsdokumente befristen. Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann so in der Praxis nicht zustande kommen.

Durch die Einführung des Job-Turbo ist eine bildungsadäquate Berufswegplanung in vielen Fällen schwierig geworden. Der Spracherwerb wird oft nur noch bis max. B1 gefördert und Weiterbildungen und Qualifizierungen werden kaum bewilligt. Zudem finanziert das BAMF künftig keine Wiederholungskurse mehr. Fehlende Angebote für eine berufsbezogene Fachsprache stellen insbesondere in der Ausbildung große Hürden dar.

Berufskompetenzen aus dem Ausland bleiben durch unpassende prekäre Arbeitsverhältnisse im Helferbereich ungenutzt. Nach wenigen Monaten fallen Geflüchtete häufig aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, zu hohen Erwartungen der Arbeitgeber*innen oder schlechter Auftragslage der Unternehmen in den Sozialleistungsbezug zurück.

Qualifizierung und Sprachförderung wird vermehrt auf die Unternehmen abgewälzt, die sowieso schon mit fehlenden Ressourcen und Personalmangel kämpfen. In Thüringen gibt es vergleichsweise wenig Großunternehmen, dafür viele kleine und mittelständische Unternehmen, denen schlicht die notwendigen Ressourcen fehlen, wie finanzielle Mittel, Zeit für Einarbeitung sowie Personal, und oft auch an Interesse an einer nachhaltigen Integration von Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt mangelt.

Anerkennungsverfahren von formalen Bildungsabschlüssen sind zum Teil mit langen Wartezeiten und komplexen bürokratischen Prozessen verbunden. Die Anrechnung von nicht-formalen Berufskompetenzen, wie langjähriger Erfahrung in einem Berufsfeld oder Praktika, findet nicht genug Beachtung. Ausbildungen, Studien- oder Schulabschlüsse, die im Ausland erworben wurden, werden oft nicht als in Deutschland gleichwertig anerkannt.

Bildung und Sprache

Sprache ist ein Schlüssel zur Teilhabe an Bildung und Gesellschaft. Doch welchen Schwierigkeiten begegnen Geflüchtete auf diesem Weg? Mit Sprachbarrieren ist es schwer, dem Unterricht zu folgen und Prüfungen zu bestehen.
64 % der Kinder im Vorschulalter mit Migrationshintergrund haben Förderbedarf in der deutschen Sprache, wie das BAMF festgestellt hat.

Das Bildungssystem im Aufnahmeland kann sich stark von dem im Herkunftsland unterscheiden. Eltern, die wenig Erfahrung mit dem neuen Bildungssystem haben, können ihre Kinder oft nur begrenzt unterstützen.
Geflüchtete sind häufig sozioökonomisch benachteiligt. Diese Benachteiligung erschwert es den Kindern, sich auf ihre schulischen Aufgaben zu konzentrieren. Laut DIW leben 35 % der Kinder mit Migrationshintergrund in Haushalten mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze.

Flucht ist oft mit erheblichen psychosozialen Belastungen verbunden. Traumatische Erlebnisse und Unsicherheit über die Zukunft können die psychische Gesundheit beeinträchtigen. Im Migrationsbericht des Bundes wurde festgestellt, dass 40 % der geflüchteten Kinder und Jugendlichen unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden.

Da die Vollzeitschulpflicht laut Thüringer Schulgesetz § 19 mit der Vollendung des 18. Lebensjahres endet, wird das Erlangen eines Schulabschlusses für Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund zu einer kostspieligen oder kaum schaffbaren Aufgabe.

Leider sinken die Möglichkeiten der Erlangung eines Schulabschlusses ohne Schulkosten mit zunehmendem Alter. Der Zugang zum Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) an den Thüringer Berufsschulen wird vielen jungen Menschen aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse (B1) oder „zu hohen“ Alters verwehrt. So bleiben in der Regel nur noch die Vorbereitungskurse an den Thüringer Volkshochschulen, welche, am Beispiel VHS Erfurt, aber 1.161 € kosten und selbst getragen werden müssen.

Rahmenbedingungen

Nicht überraschend stellt die Unterbringung von Geflüchteten oft eine große Hürde dar. Unterkünfte sind oft „ab vom Schuss“, was für die Bewohner*innen, die in der Regel auf den ÖPNV angewiesen sind, eine große Einschränkung darstellen kann. Insbesondere die Arbeit im Schichtdienst scheitert dann schlicht an der eingeschränkten Mobilität.

Erschwert wird die Mobilität zusätzlich durch die Einführung der Bezahlkarte. Durch die Einschränkungen bei Überweisungen ist es in manchen Landkreisen kaum möglich, z. B. ein Deutschlandticket zu abonnieren. Durch die Bezahlkarte, die bereits viele Landkreise eingeführt haben, sind auch andere Teilhabechancen von Geflüchteten stark eingeschränkt. Zahlreiche Landkreise haben die Bezahlkarte auf den Landkreis beschränkt, was einer De-facto-Residenzpflicht nahekommt.

Die Unterbringung in Massenunterkünften stellt für die Bewohner*innen zudem häufig eine große psychische Belastung dar. Für Familien, für Frauen und für besonders vulnerable Gruppen ist die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften oft besonders schwierig – aber auch für Geflüchtete, die tagsüber den Sprachkurs oder die Schule besuchen, eine Qualifizierung absolvieren oder arbeiten, ist der oft fehlende Platz zum Lernen, sowie die fehlende Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen, eine Belastung. Zudem gibt es nicht immer W-LAN in den Unterkünften.

Erschwerend kommt hinzu, dass es selbst für Geflüchtete, die arbeiten und selbst ihren Lebensunterhalt verdienen, häufig sehr schwierig ist, aus den Unterkünften auszuziehen, denn die Aufhebung der Wohnsitzauflage ist, gerade wenn es darum geht, in einen anderen Landkreis oder ein anderes Bundesland zu ziehen, ein komplexes Unterfangen. Wohnsitzauflagen gibt es sowohl für anerkannte Geflüchtete (vgl. § 12a AufenthG) als auch für Personen mit Gestattung (vgl. §§ 56ff AsylG) und für Menschen mit Duldung (vgl. § 61 AufenthG).

Ein weiteres Thema ist die Erreichbarkeit von Behörden sowie die Transparenz in behördlichen Entscheidungen. Insbesondere in den Städten bekommt man oft über Monate keinen Termin bei der zuständigen Ausländerbehörde und E-Mails bleiben oft unbeantwortet. Auch ist der Zugang zu Leistungen der Arbeits- und Ausbildungsförderung in Abhängigkeit von Status und Aufenthaltsdauer weiterhin teilweise eingeschränkt – beispielsweise kann mit der Ausbildungsaufenthaltserlaubnis kein BAFöG bezogen werden.

Aus der Praxis wissen wir: Wenn Menschen sich hier (in den Arbeitsmarkt) integrieren sollen, dann sind Teilhabemöglichkeiten entscheidend. Verschärft wird die Situation von Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt zusätzlich durch den spürbaren Rechtsruck in der Gesellschaft. Die Hemmschwelle für diskriminierendes und rassistisches Verhalten gegenüber Geflüchteten scheint noch weiter gesunken zu sein.

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Quellen

Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Working Paper 14 zur sprachlichen Integration von Migranten in Deutschland. Abrufbar unter: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/WorkingPapers/wp14-sprachliche-integration.pdf?__blob=publicationFile&v=11

Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Publikation zur Armutsgefährdung bei Personen mit Migrationshintergrund Abrufbar unter: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.557426.de/diw_sp0907.pdf

Wissenschaftliche Dienste – Sachstand „Posttraumatische Belastungsstörung. Zahlen sowie Aspekte geschlechtsspezifischer Behandlungsangebote“. Abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/490504/8acad12ffbf45476eecdfeff7d6bd3f4/wd-9-069-16-pdf-data.pdf