Mit dem Kolping-Bildungswerk Thüringen zum Hauptschulabschluss

Für die Teilnehmer*innen unserer Grundbildungsmaßnahmen spielt die Möglichkeit, einen Hauptschulabschluss nachzuholen, eine wichtige Rolle, um sich für eine Arbeit oder eine Ausbildung zu bewerben. Das Kolping-Bildungswerk Thüringen bietet zwei Maßnahmen an, um zum Abschlusszeugnis zu gelangen. BLEIBdran+ hat mit Karina Dönicke, Bereichsleiterin AMDL – Maßnahmen, gesprochen, welche Voraussetzungen die Teilnehmer*innen erfüllen müssen und wie die Maßnahmen ablaufen.

Drei Frauen des Teams für Hauptschulabschlüsse stehen vorm Eingang des Kolpingwerks

BLEIBdran+: Guten Tag Frau Dönicke, schön, dass Sie uns ein Interview geben. Welche Programme wird es dieses Jahr für unsere Zielgruppe beim Kolpingwerk Erfurt geben?

Karina Dönicke: Wir bieten dieses Jahr wieder zwei Programme zum Erlangen des Schulabschlusses im Erfurter Kolpingwerk an. Das sind Chance 3.0 und die Maßnahme Hauptschulabschluss (HSA). Bei beiden Programmen gibt es in diesem Jahr kleine Änderungen.

BLEIBdran+: Wie sehen diese Programme genau aus und welche konkreten Änderungen gibt es? Vielleicht fangen wir mit dem Programme Chance 3.0 an.

Karina Dönicke: Chance 3.0. startete am 01.01.2025 und wird bis 31.12.2027 verlängert. Die Maßnahme ist kofinanziert über die ESF-Plus-Richtlinie. Die Voraussetzungen sind niederschwellig. Kurz gesagt, das Alter liegt unter 30 Jahre und die Schulpflicht muss abgeleistet sein. Sprachkenntnisse sollten auf einem A2-Niveau sein, ein Sprachzertifikat vorzulegen ist nicht notwendig. Wir machen hier vor Ort Spracheinschätzungen mit unserer Dozentin. Die einzige Beschränkung ist das Wohngebiet. Wir können nur Teilnehmende aus Erfurt aufnehmen.

BLEIBdran+: Wer ist die Zielgruppe von Chance 3.0?

Karina Dönicke: Die Zielgruppe sind Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Unsere Zielgruppe bringt meistens multiple Hemmnisse mit. Deshalb haben wir eine engmaschige sozialpädagogische Betreuung. Unsere Kolleginnen verweisen zu Schuldenberatung, unterstützen bei Schreiben von Behörden und haben immer ein offenes Ohr für die Teilnehmenden. In Thüringen gibt es nur eine Chance, den Hauptschulabschluss zu erlangen. Die Prüfung kann nur einmal wiederholt werden. Wenn wir also merken, die Teilnehmenden sind noch nicht reif für die Prüfung, dann melden wir nicht an. Chance 3.0 kann einfach wiederholt werden, es ist möglich, zwei Jahre teilzunehmen oder auch früher einzusteigen. Wir haben oftmals Teilnehmende, bei denen Lernschwierigkeiten oder Behinderungen eine Rolle spielen. Wir empfehlen dann einen Reha-Ausbildungsplatz oder geben eine Einschätzung für die weitere berufliche Entwicklung.

BLEIBdran+: Wie läuft das Aufnahme- und Prüfungsverfahren in Chance 3.0 ab?

Karina Dönicke: Wir machen vorab Beratungsgespräche im Kolpingwerk. Da wird geschaut, wer wohin passt.
Wir machen zum Ende des Kurses eine Einschätzung und melden dann bei guter Prognose zur Hauptschul-Prüfung an. Die Prüfung wird von der Walter-Gropius-Schule in Erfurt abgenommen. Danach erhalten die Kursteilnehmenden eine Teilnahmebescheinigung von Kolping und natürlich im besten Falle den Hauptschulabschluss. Ab diesem Jahr wird auch ein Abgangszeugnis ausgestellt, wenn der Schulabschluss nicht geschafft wurde. Außerdem gibt es immer ein Zwischenzeugnis für Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz.

Wichtig zu sagen ist noch, dass wir Fahrtkosten übernehmen. Auch Unterrichtsmaterialien oder Arbeitsbekleidung für das Praktikum werden von uns übernommen. Wir arbeiten in Chance 3.0 mit Papier und Büchern. Im Programm HSA sind wir dagegen auf digitale Unterrichtsmaterialien umgestiegen.
Ab 01.07.25 erfolgt mit dem regulären Kursstart ein stundenweiser Einstieg. Wir fangen erstmal mit weniger Stunden an und steigern uns allmählich. Erfahrungsgemäß funktioniert das besser. Viele Teilnehmende müssen eben noch lernen, jeden Tag pünktlich zu sein und auch einen Kurstag durchzuhalten.

BLEIBdran+: Wie sieht es denn mit dem Programm HSA aus, was wird dieses Jahr angeboten und was ändert sich?

Karina Dönicke: Das Tolle ist, es gibt jetzt keine Altersgrenze mehr – alle können teilnehmen. Vorausgesetzt, sie erhalten einen Bildungsgutschein von der Agentur für Arbeit. Da sehen wir im Moment leider große Hemmnisse aufseiten der Agenturen. Alle sind zum Sparen angehalten und das merken wir auch bei der Ausstellung der Bildungsgutscheine.

BLEIBdran+: Wie setzt sich die Zielgruppe zusammen und welche Voraussetzungen müssen Interessierte mitbringen?

Karina Dönicke: Die Zielgruppe war bisher immer gemischt, obwohl der Anteil der Migrant*innen immer hoch war. Jetzt ist es der erste Kurs, bei dem nur Migrant*innen teilnehmen. Sprachkenntnisse sollten auf einem guten B1-Niveau vorhanden sein. Wir können maximal zwölf Teilnehmende pro Klasse aufnehmen. Wir hätten theoretisch Kapazitäten für bis zu vier Klassen im Kolpingwerk. Die Teilnahme am Kurs muss gewährleistet sein, z. B. muss die Kinderbetreuung abgesichert sein. Die Teilnehmenden können aus ganz Thüringen bei uns teilnehmen. Fahrtkosten oder Arbeitsbekleidung für die Übungswerkstatt können auf Antrag vom Jobcenter übernommen werden.

BLEIBdran+: Welche Inhalte werden im HSA unterrichtet?

Karina Dönicke: Der Unterricht ist im Prinzip der gleiche wie bei Chance 3.0, aber die Teilnahme geht eben nur mit Bildungsgutschein! Bei beiden Programmen gibt es die Praxiseinsätze in unserer Übungswerkstatt. Der Kurs ist aufgeteilt in drei Tage Theorie und zwei Tage Übungswerkstatt in der Woche. Im Unterschied zu Chance 3.0 gibt es kein Praktikum, sondern nur die Praxisfächer in der Übungswerkstatt. Es sollte auf ein Ziel hingearbeitet werden und das ist bei den meisten ein Einstieg in die Ausbildung nach dem Kurs.

Unsere Unterrichtsmaterialien sind komplett digital. Wir haben eine Online-Plattform, von der die Materialien runtergeladen werden können. Im Unterricht bekommt jede*r Teilnehmende ein I-Pad zum Arbeiten. Wir sind komplett papierlos.

BLEIBdran+: Wie läuft die Prüfung ab, gibt es Unterschiede zu Chance 3.0?

Karina Dönicke: Die Prüfungsvoraussetzung sind die gleichen wie bei Chance 3.0. Die Prüfung wird am Kolpingwerk gemacht, aber von der Walter-Gropius-Schule abgenommen. Es können zwei Prüfungsfächer wiederholt werden. Eigentlich ist der Abschluss nicht schwer. Mit Motivation und der richtigen Einstellung ist der Hauptschulabschluss schaffbar! Wir haben eine sehr gute Erfolgsquote.

BLEIBdran+: Wie geht es für die Teilnehmenden in der Regel nach dem HSA weiter?

Karina Dönicke: Es ist immer ein Riesenerfolg für uns, wenn Teilnehmende einen guten Ausbildungsplatz bekommen. Wir haben keine Nachbetreuung und eigentlich auch keine sozialpädagogische Begleitung im HSA. Ad hoc fällt uns eine junge Frau ein, die wir vor einiger Zeit im HSA hatten. Sie war erst seit wenigen Monaten in Deutschland und hat die Maßnahme begonnen. Sie hat nebenbei Deutsch gelernt und sich so bemüht, den Schulabschluss zu schaffen. Sie hat über ein Praktikum einen Ausbildungsplatz erhalten. Sie hat also den Sprachkurs und teilweise parallel auch den HSA gemeistert. Sie hat die Abschlussprüfung bestanden und ist in die Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten übergegangen. Das ist doch Wahnsinn, was diese Frau in dieser kurzen Zeit alles geleistet hat. Das hat uns schwer beeindruckt. Wir hatten auch einen Mann im HSA, der mit 45 eine Ausbildung im Elektrobereich gemacht hat. Mittlerweile ist er ausgelernt und arbeitet.

BLEIBdran+: Herzlichen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihren Kursteilnehmer*innen viel Erfolg bei der Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss und freuen uns auf eine weitere gute Zusammenarbeit mit Ihnen.